“Der Chef” hätte heute Geburtstag
Seit dem Jahr 1966 besteht unser Seilbahnunternehmen „Großarler Bergbahnen GmbH & Co KG“, von uns Einheimischen – zumeist liebevoll – einfach „der Lift“ genannt. Entstanden ist das Unternehmen aus einer Not heraus. Geschuldet der Kargheit an wirtschaftlichen Möglichkeiten unserer Gebirgsregion die als Erwerbsform neben einigen gewerblichen Kleinbetrieben und Gastronomie hauptsächlich von Land- und Forstwirtschaft geprägt war. Jedoch hielt auch die Technisierung hier Einzug und Arbeitsplätze wurden rarer und rarer. Die Option der Talbevölkerung wurde zunehmend: entweder auswandern oder ein weiteres wirtschaftliches Standbein suchen. Man ging daran es mit Wintertourismus zu versuchen. Woanders – etwa in Gastein, Wagrain oder Zell am See – schien das schon zu funktionieren, warum nicht in Großarl auch? Mutige Männer und Frauen – großteils rund um den Marktplatz – gut unterstützt durch die Gemeinde Großarl taten sich zusammen und schmiedeten ab 1964 erste Liftpläne. Der Malermeister Peter Seer etwa oder der Skischulleiter Richard Lackner. Die Speerspitze dieser mutigen Pioniere war aber der Transportunternehmer, Landwirt und Gastwirt der Alten Post in Großarl Anton Knapp. Geboren am 13. Jänner 1925, also genau vor 100 Jahren. Die erste Entscheidung die zu treffen war: wo soll den der Lift überhaupt hinführen? Variante war vom Ortszentrum Großarl weg in Richtung Kirche und weiter ins Ellmautal. Oder doch vom Ortsteil Unterberg in Richtung Kreuzkogel. Für diese letztere Trassenführung sprach die Großräumigkeit mit einem Skigelände für unterschiedliche Könnerstufen sowie der Umstand, dass die Dorfgasteiner bereits begonnen haben sich mit Liftanlagen in Richtung Fulseck zu entwickeln und somit die Perspektive eines Skigebietszusammenschlusses bestand. Wie wir nun alle wissen ist es Zweiteres geworden und es gibt wenig Zweifel an der Richtigkeit dieser Entscheidung.
Anton Knapp war mit vollem persönlichen Einsatz an der Sache. Der Lift schien ihm immer das Wichtigste. Er lebte das sehr konsequent und brachte neben dem hohen Zeiteinsatz auch immer wieder persönliches Vermögen in die Gesellschaft ein um die Weiterentwicklung zu ermöglichen. Dabei waren es äußerst harte Jahre für die Liftgesellschaft, die mit ihrem Schlepplift 1966 gerade einmal den Bereich der jetzigen Alpentaverne erschließen konnte. Schneearme Winter und schneelose Weihnachten 1969 versagten den Erfolg. Der ersehnte Fortschritt in der Fremdenverkehrswirtschaft, selbst das Weiterbestehen der Liftgesellschaft, schienen gefährdet. Entweder es gelingt wieder neues Kapital aufzutreiben um schnellstmöglich den Zusammenschluss mit Dorfgastein – diese waren inzwischen anlagentechnisch am Berg angekommen – zu schaffen, oder das wars dann auch schon wieder. Und hier sei wiederum der deutschen Baumeisterfamilie Müller – unserem Ort noch immer eng verbunden – gedankt die sich über Kontakt von Skischulleiter Richard Lackner von der Sinnhaftigkeit des Projektes überzeugen ließ und großzügig Eigenkapital zur Verfügung stellten. Auch die Bevölkerung des Tales zog neuerlich mit.
Im Jahr 1971 stand bei Kasseneinnahmen von ATS 286.000,00 (EUR 20.784,00) ein Investitionsvolumen von ATS 7,10 Mio. (EUR 515.977,00) an, das 24-fache des damaligen Umsatzes. Mut zum Risiko war uns im Tal immer zu eigen. Die Finanzierung gelang, die Vision ging auf, am 19. Dezember 1971 konnte die Skischaukel Großarl-Dorfgastein eröffnet werden. Zäh war es nachher immer noch, aber die Einheimischen glaubten an den Erfolg des Projektes und waren immer und immer wieder bereit bei großen Investitionen entsprechend beizutragen. Und so entwickelten sich die Großarler Bergbahnen ganz gut weiter und konnten sich zu einem gesunden Wirtschaftsunternehmen zusammenwachsen. Ganz großer Meilenstein in der Geschäftsführerepoche von Anton Knapp war jedenfalls der Bau der 6er Kabinenbahn Panoramabahn Großarltal im Jahr 1990. Auch dieses Projekt schien in einer ersten Einschätzung mit Kosten von ATS 160,0 Mio. (EUR 11,6 Mio.) finanziell kaum hebbar und doch ist es wieder mit Beteiligung aller gut gelungen. Gleichzeitig löste diese Bahn einen riesigen touristischen Impuls im Tal aus.
Anton Knapp – der Chef – war immer in vollem Einsatz da und mit ihm angediehener Durchsetzungsstärke. Es war nicht immer nur die feine Klinge und eine gewisse Furchtlosigkeit vor der Obrigkeit ist in seinem Wesen auch durchgeschienen. Seine Leidenschaft galt ganz dem Lift, egal ob Tag oder Nacht, Werktag oder Wochenende. Aus seiner Erfahrung als Transportunternehmer liebte er auch technische Diskussionen. Entwickelte das Unternehmen geradlinig und konsequent. Hat auch in intensiven Phasen das Gemeinsame vor das Trennende gestellt. Für uns Mitarbeiter war er eine Respektsperson höchsten Grades. Immer ehrlich, gerade heraus, zwischendurch manchmal auch etwas lauter und etwas ruppiger, aber nie nachtragend. Und klare Worte haben uns nicht geschadet, uns Liftlern haftete auch nicht der Ruf an Kinder von Traurigkeit zu sein. So wie er uns gefordert hat, hat er uns in selben Maße auch hochgeschätzt.
Anton Knapp war ganze 34 Jahre Geschäftsführer unseres Seilbahnunternehmens und hat das Unternehmen geprägt wie kein anderer. Er ging im Jahr 2000 in den Ruhestand. Ihm wurden verschiedene hohe Auszeichnungen zuteil, 2014 wurde im seitens des Landeshauptmannes von Salzburg das Tourismusverdienstabzeichen verliehen. Anton Knapp ist am 30. Oktober 2018 im 94. Lebensjahr friedlich eingeschlafen. Wir verneigen uns heute 100 Jahre nach seiner Geburt vor dieser großen Persönlichkeit und seiner herausragenden touristischen Lebensleistung.
Sepp,
vielen Dank für die Zusammenfassung der Geschichte, die Großarler Bergbahnen betreffend, durch die sich Informationen erschließen, welche mir im Detail nicht präsent waren, und dass, obwohl ich beruflich bedingt vor Jahren in Controlling und Jahresabschluss zum Thema “Großarler Bergbahnen” eine Diplomarbeit betreute.
Gut kann ich mich daran erinnern, dass der Papa hin und wieder bei auftretenden Schwierigkeiten beim Lift sagte: “Da Flori muaß her!” Die meisten werden ja wissen, dass es sich dabei um Florian Rodlberg (Hofname) handelt, der jederzeit abrufbereit war, um auftretende Probleme zu lösen. Darauf war Verlass! Unter anderem wurde er wohl deshalb zum Betriebsleiter ernannt – diese Funktion übte er dann bis zur Pensionierung aus.
Damit ein Unternehmen erfolgreich ist, bedarf es neben der Geschäftsführung kompetenter und einsatzbereiter Mitarbeiter*innen. Flori steht stellvertretend für die die Einsatzbereitschaft der gesamte Liftbelegschaft.
Die Frage ist berechtigt, ob es heute die Großarler Bergbahnen ohne Vorliegen dieser Voraussetzungen überhaupt gäbe.
Es dürfte den wenigsten bekannt sein, dass Mustafa, ein gebürtiger Türke, zu den Liftmitarbeitern der ersten Stunde gehörte, was eine nachträgliche Anmerkung zu meinem gestrigen Kommentar rechtfertigt.
Heutzutage könnten viele Betriebe ohne ausländische Arbeitskräfte nicht am Laufen gehalten werden, weshalb Arbeitskräfte vom Ausland angeworben werden. Die Großarler Bergbahnen beschritten diesen Weg schon in den 1960-er Jahren, als das Unternehmen gerade die Errichtung des ersten Schlepplifts in Angriff nahm. Mustafa war überdies meines Wissens gleichzeitig auch der erste Gastarbeiter in Großarl.
Er bezog bei uns Quartier und Logis, untergebracht auf Zimmer Nr. 5. Schon als Volksschüler nahm ich wahr, dass seine Rahmenbedingungen alles andere als einfach waren. Er verstand praktisch kein Wort Deutsch, was das Arbeiten zusätzlich erschwerte; weit und breit gab es keine Landsleute; und nicht verwunderlich, dass zur damaligen Zeit in entlegenen anatolischen Dörfern es keine Telefone gab.
Seiner Isoliertheit wegen tat er mir und meinen Geschwistern leid, im selben Atemzug waren wir aber von seiner stets freundlichen Ausstrahlung überrascht. Vielleicht war er wenigstens froh, dass bei uns im Betrieb stets was los war.
In den Folgejahren hatte er das Glück, dass Kemal, ein weiterer Landsmann von ihm, beim Lift angestellt wurde, mit dem er sich das Zimmer teilte, was sein Wohlbefinden vermutlich merklich erhöhte.
Ich hoffe nur, dass beide eine wohlverdiente Rente genießen konnten!
Sehr interessanter Artikel, und vielen Dank auch für den 2. Kommentar vom Norbert Knapp…….